„Wild-und-frei-Sein“, kompromisslos mutig durch ein radikal selbstbestimmtes Leben gehen, so lautete der Auftrag, den Nelly Stockburger von ihrer Mutter erlernte.
Der von den Eltern stets verhöhnte „bürgerliche Lebensplan“ erschien der jungen Frau quälend einsam und langweilig, als sie sich in einer frühen Ehe mit der traditionellen Frauenrolle identifizieren sollte. So verließ sie mit 25 Jahren endgültig das Modell der Kleinfamilie und zog mit drei kleinen Kindern in die erste anarchisch strukturierte Gruppe, deren politischen Ideale ihr Heimat versprachen.

Von Haus aus zu autonomem Denken geschult, bewahrte Nelly Stockburger auch in den ideologischen Gruppen, in denen sie in den 70er und 80er Jahren als feministisch orientierte Aktivistin lebte, eine eigene Weltsicht, die nicht nur vom „Dagegen-Sein“ lebte. Anstelle wolkiger Weltveränderungsideen initiierte sie lieber konkrete Veränderungen im Alltag, in der Erziehung von Kindern, in der Forderung nach einem hierarchiefreien Umgang innerhalb ihrer Lebensgemeinschaften.

Sie suchte ihre „persönliche Revolution“ in der Gestaltung von Liebesbeziehungen, die sie ausschließlich in der kompromisslosen Gleichstellung der Geschlechter lebte. Sie glaubte fest daran, dass Menschen eine grundsätzliche Fähigkeit hätten, die Liebe als ein Solidarprinzip zu verstehen und zu leben, das sie von der Ausschließlichkeit territorialer Vorstellungen und narzisstischer Selbstergänzungsromantik befreien könnte.

Schmerzhafte Trennungen brachten die Krise in der Lebensmitte, die Nelly Stockburger zur Einzelgängerin machte. Um ihre Würde und Lebensfreude wieder zu finden schuf sich die autonome Frau neue Ziele, auf die sie die zweite Lebenshälfte aufbaute.

Bis heute will sie sich weder den bürgerlichen Normen, noch den Dogmen der Alternativkultur fügen. In einer selbsterfundenen, undogmatischen, feministischen Idee hebt sie die Liebe in ein tolerantes und soziales Konzept der Menschenliebe, das, wie sie hofft, sozialen Frieden fördern und persönliche Wunden heilen kann.