Der Rückblick auf die gut hundertjährige Geschichte des Hauses Roscherstraße 5, seiner Bewohnerschaft und der Entwicklung des Stadtraums ringsum, nördlich des Lehniner Platzes, offenbart das rasante Tempo der Verstädterung im sogenannten Neuen Westen. In der 1908/1909 angelegten Roscherstraße wurden etwa seit 1910 – im Vergleich zu den Gebäuden am nahen Kurfürstendamm – eher zurückhaltend gestaltete viergeschossige Mietshäuser errichtet. Der für Berlin und seine Umgebungen zeittypische Spekulationsverlauf trifft auch für die Bebauung der Roscherstraße zu.

Den Nationalsozialisten galt der Neuen Westen wegen des überdurchschnittlich hohen Anteils jüdischer Bevölkerung als besonderes Aktionsfeld für Ausgrenzung und Entrechtung – bis hin zur physischen Vernichtung. Jüdisches Leben mit seinen Tragödien ist in das Quartier um die Roscherstraße und in das Haus Nr. 5 massiv eingeschrieben. Dafür stehen exemplarisch die Wohnbiographien der drei jüdischen Familien Davidsohn, Wollsteiner und Grünthal, aber auch die Geschichte des Jaffa’schen Fürsorge- und Waisenheims, das gemeinsam mit der Familie des Rabbiners Grünthal die dritte Etage im Haus Nr. 5 nutzte.

Die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg hatten für die Bebauung der Roscherstraße im Vergleich zu manchen Arealen ringsum noch relativ glimpfliche Folgen. Zerstörungen gab es vor allem auf der östlichen Straßenseite, doch die Blockstruktur blieb gewahrt. Das Haus Nr. 5 durchlief wie viele andere die Stationen von Instandsetzung, Modernisierung und Umwandlung in Wohnungseigentum. Entwicklungsperspektiven bestehen vor allem in der Aufwertung des öffentlichen Raums. Die Neugestaltung des immer schon gestalterisch stiefmütterlich behandelten Lehniner Platzes ist dazu ein notwendiger Schritt.