Trotz weitreichender Erkenntnisse über die (pseudo-)wissenschaftliche Gestalt des europäischen Rassismus ist die Relevanz der Philologie in dieser Frage bisher nicht systematisch erforscht worden – und dies, obwohl sie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgrund ihrer methodischen Kraft und ihres kulturhermeneutischen Anspruchs eine Art 'Leitwissenschaft' war. Wenn die 'Ursünde' der modernen Anthropologie nach Claude Lévi-Strauss die Vermengung biologischer Konzepte mit den sozialen und psychologischen Produktionen der verschiedenen Kulturen war, so besteht sie im Fall der Philologie spezifischer in der Vermengung von sprachlichen, schriftsystemischen und textkulturellen Kategorien mit den kognitiven Potentialen der Sprecher/Schreiber verschiedener Kulturen. Anliegen des Bandes ist es, theoretische und historische Perspektiven auf Funktion und Resistenz der europäischen Philologie(n) in der Herausbildung und Entwicklung des rassenlogischen Diskurses im langen 19. Jahrhundert zu eröffnen, der weit über Europa hinaus bis heute höchst virulent bleibt.