Kants Philosophie basiert auf anthropologischen Prämissen. Deren Stellenwert innerhalb seiner Rechts- und Staatslehre wird bisher unterschätzt. Dazu zählt auch Kants Postulat, der Mensch trage zwei Erkenntnisquellen in sich: Sinnlichkeit und Vernunft. Das Buch schließt eine Lücke, indem es systematisch alle Aussagen zusammenträgt, die Kant seit der Kritik der reinen Vernunft über die menschliche Natur trifft, und ihren Bezug zu seiner politischen Theorie aufzeigt. Dabei ergibt sich ein spezifisches Bild vom Menschen, das Kants Staatsphilosophie prägt. Es erweist sich als weit weniger pessimistisch als gemeinhin behauptet wird. Zwar wird es von Kants Annahme getragen, der Mensch sei ein zwiespältiges Wesen von widersprüchlicher Art. Doch erst diese Dualität erlaubt es ihm, seiner Bestimmung nachzukommen, wofür er politisch tätig werden muss: Damit der Mensch die eigenen Anlagen entfalten und die Kultur seiner Gattung vorantreiben kann, muss er definierte politische Rahmenbedingungen schaffen, die es stetig zu verbessern gilt. Die Autorin zeigt, dass die Unabhängigkeit der politischen Philosophie Kants von Annahmen über die menschliche Natur nicht besteht, obwohl Kant sie selbst gefordert und die Forschung sie mehrheitlich bestätigt hat.