Die Entfaltung von Individualität im Medium des Briefes ist ein komplexer Prozess, in dem sich differenzierte personale Ich-Entwürfe, kollektive Selbstverständigungen über die Konzeption von Individuum und Gesellschaft sowie Spezifika der Briefproduktion kreuzen. Exemplarisch werden Formen und Probleme einer performativen Konstruktion von Individualität vor dem Horizont des gesellschaftlichen Wandels im 18. Jahrhundert untersucht. Dabei erweist sich der theoretische Entwurf von Individualität in der Aufklärung sowie seine sprachliche bzw. epistolare Vermittlung als letztlich unlösbare (Über)Forderung. Die vorliegende Studie liest die Briefkorpora nicht als historisch-biographische Quellen, sondern als Zeugnisse von Lebens- und Weltentwürfen im Zusammenhang mit Autorschaft und Literarizität, als Dokumente der Selbstwahrnehmung, der Ich-Konstitution und der Probleme ihrer medialen Vermittlung. Die Autorin entwickelt ein brieftheoretisches Modell einer ‚achtfachen Relationalität‘ epistolarer Kommunikation, das als transzendentaler Bezugsrahmen für die historisch-hermeneutischen Untersuchungen fungiert. Die Analyse der drei Briefkorpora beleuchtet, in welch vielschichtiger Weise Individualität im 18. Jahrhundert epistolar entwickelt und verhandelt wird und zeigt sowohl ihre Bedingungen und Möglichkeiten als auch ihre Grenzen auf.