Die Arbeit analysiert das Werk des bekannten ägyptischen Diplomaten und Publizisten Husayn Ahmad Amin unter besonderer Berücksichtigung seiner Positionierung innerhalb zeitgenössischer Identitätsdiskurse in der arabischen Welt. Ausgangspunkt ist ein Zitat des Politikwissenschaftlers Thomas Meyers, welches Identitätspolitik mit dem „Kampfes gegen Pluralismus und Demokratie“ in Verbindung bringt und das Wissen, dass Amin einerseits als liberaler und säkularistischer Denker gilt, andererseits jedoch häufig mit Forderungen nach einer Stärkung „islamischer Identität“ assoziiert wird. Auf Basis einer breiten Beschäftigung mit seinem Überzeugungssystem werden die identitätspolitischen Forderungen Amins untersucht und in vorsichtiger Abgrenzung von islamischen und westlichen Diskursen dargestellt. Die erwähnte These Meyers wird zum Anlass genommen, Amins Anschauungen darüber, wie sich islamische Identität im Verhältnis zu kultureller und religiöser Alterität konstituiert, in den Blick zu nehmen Dabei wird gezeigt, dass die Identität, welche Amin zu restaurieren sucht, zwar vorgeblich islamischen Charakter hat, der Islam jedoch keinen universalistischen Anspruch begründet, sondern als abstraktes und wandelbares Wertesystem und verbindende Komponente seines Konfessions- und Sprachbarrieren überwindenden Identitätsmodells dienen soll. Die inhaltliche Flexibilität korreliert mit dem weitgehend integrativen Charakter der Gruppensetzung. Das Identitätsmodell Amins zeigt also keine Affinität zu moderne- oder pluralismusfeindlichen Tendenzen, sondern affirmiert liberale und säkulare Positionen, die stark vom westlich-bürgerlichen Denken der Gegenwart geprägt sind und die islamistische Ideologie zum zentralen Antagonisten seines Überzeugungssystems bestimmen. Dennoch eignen sich die Ergebnisse nicht zur Widerlegung der These Meyers, da sich nicht wenige Leerstellen und Inkonsistenzen im Werk Amins finden lassen. Vieles spricht dafür, das Misstrauen gegenüber Identitätspolitik beizubehalten, jedoch eine stärkere Ausdifferenzierung der Kategorie zu forcieren. Das Beispiel Amins macht deutlich, dass divergierende Positionierungen beispielsweise zu Moderne, Rationalität oder Inklusivität an verschiedensten Stellen auch innerhalb des Identitätsdiskurses möglich sind.