ÜBER DIE REIHE

Die Erforschung von Molières Werk ist so umfangreich, dass bereits alles gesagt zu sein scheint. Warum also eine weitere Reihe, eigens für die Neu-Interpretation seiner Werke?
Neue Facetten ergeben sich bei der Interpretation der einzelnen Werke, wenn literatur- und zeitgeschichtliche, kulturanthropologische und (theater-)semiotische Aspekte herangezogen werden. Der Kern jedes Bandes der neuen Reihe ist eine ausführliche und kommentierende Lektüre und Interpretation, welche die Stücke vor ihrem eigenen historischen Hintergrund erhellt. Dabei wird Szene für Szene bearbeitet, freilich immer mit Gewichtung und Blick auf den Kontext innerhalb des Werkes selbst, dann aber auch in Verbindung zum Werk Molières und anderer Autoren der Zeit.

Es folgt eine Wiedergabe des historischen Textbestandes nach den Erstausgaben der Werke Molières, in der – anders als in den heute üblichen Editionen – die historische Orthographie als Element der französischen Kultur des 17. Jahrhunderts respektiert wird.
Darauf werden, sofern notwendig, weitere historische Dokumente vor allem literaturgeschichtlicher Provenienz in Auszügen präsentiert, die das Verständnis der Kernproblematik des jeweiligen Stücks erleichtern sollen.
Den Abschluss bildet eine auf die wesentlichen Arbeiten konzentrierte bibliographische Orientierung für ein vertieftes Studium des entsprechenden Werkes.

Diese Interpretationen wenden sich gleichermaßen an Studierende wie an die mit der Vermittlung von Molières Werken betrauten gymnasialen und universitären Pädagogen. Sie sollen aber auch dem an französischer Kultur und Literatur interessierten nichtprofessionellen Molière-Leser als Zugang zu dem Komplex der Ideen und historischen Bedingungen in Molières Werk dienen.

ÜBER DAS BUCH

Molières Les précieuses ridicules (1659) hat die sich in ganz Frankreich mit der Salonkultur bildende geistige und politische Strömung zum Thema, die vor allem von Frauen getragen wurde und unter dem Namen Preziosität in die Literatur- und Kulturgeschichte eingegangen ist. Es geht im Namen der Gleichberechtigung der – aristokratischen und bürgerlichen – Frauen, die sich in diesen Salons bewegten, darum, die Kontrolle über neue einzuhaltende Normen sozialen Umgangs zu erringen. Ziel war die Überwindung einer nahezu ungebrochenen Männerherrschaft und der Prinzipien ihrer Kommunikation.

Durch Autonomiebestrebungen und ihren Dissens mit der kulturellen Hegemonie der Krone wurden die Salons aber auch zu Orten der politischen Opposition, die sich dereinst zu einem der Kristallisationskeime der Aufklärung entwickeln werden.

Molière verteidigt hier die gerechtfertigten Anliegen der Frauen, d. h. der ›wahren‹ Preziosität, und geißelt zugleich die als das Werk von Provinzlerinnen und Lakaien in Paris vorgeführte simple Imitation von preziösen Salongesellschaften, denen er unterstellt, nichts mit den Ideen und Zielen der ›wahren‹ Preziösen zu tun zu haben.