Die Hauptverhandlung wird seit dem Jahr 1879 von den miteinander verwobenen Grundsätzen der Mündlichkeit, Unmittelbarkeit und Anwesenheit beherrscht. Der Angeklagte hat nicht nur das Recht, sondern grundsätzlich auch die Pflicht, während der gesamten Hauptverhandlung anwesend zu sein. Keine der bisher vorgebrachten Begründungen vermag jedoch diesen schweren Grundrechtseingriff zu rechtfertigen. Gibt es tiefere Gründe für unser Verlangen nach der Präsenz des Angeklagten? Warum genügt uns nicht die schriftliche Stellungnahme des Abwesenden oder dessen Vertretung? Ein Brückenschlag zur Philosophie der Dekonstruktion verspricht uns Antworten auf diese Fragen. Dabei wird deutlich, dass sich das von Jacques Derrida diagnostizierte Ressentiment gegen Schriftlichkeit, Mittelbarkeit und Abwesenheit mit frappierender Ähnlichkeit in der Gestaltung unseres auf Präsenz beruhenden Prozessmodells widerspiegelt. Eine Parallele, bei der es sich nicht um eine Zufälligkeit handelt.