Die Texte der aventiurehaften Dietrichsepen ›Virginal‹ und ›Laurin‹ zeichnen sich durch ein breites Spektrum verschiedener Versionen aus, wobei der Überlieferungsbefund keine konkreten Aussagen über die Art des Abhängigkeitsverhältnisses zulässt. In dieser Monographie wird deshalb unter Rückgriff auf die musiktheoretische Reduktionsmethode Heinrich Schenkers eine Methode entwickelt, die es erlaubt, die Differenzen der Textversionen unabhängig von stemmatologischen Befunden zu erfassen. Die einzelnen Versionen werden dabei als unterschiedliche Ausfaltungen (Prolongationen) der ihnen gemeinsamen inhaltlichen Basis, der Grundfabel, beschrieben. Für diese prolongative Motivation wird hier in Analogie zu der ,Motivation von vorne' und der ,Motivation von hinten' Clemens Lugowskis der Begriff der ,Motivation von unten' geprägt. Sie erweist sich als konstituierend für die untersuchten Texte. Die Methode ermöglicht es, die Bewertung der Versionen zunächst von unsicheren Parametern wie ihrer Verwandtschaft abkoppeln und so die Frage nach dem inhaltlichen Profil der einzelnen Versionen stärker in den Mittelpunkt rücken.