Heute ist von den erwachsenen Deutschen jeder achte direkt mit einem Menschen verwandt, der zwischen 1940 und 1945 ermordet wurde, weil er psychisch krank oder behindert war. Die damals Beteiligten beschönigten das Verbrechen als Erlösung, Gnadentod, Lebensunterbrechung, Euthanasie oder Sterbehilfe.
Nicht wenige Angehörige fühlten sich nach dem stillen, halb geheimen Verschwinden ihrer hilfsbedürftigen Nächsten erleichtert – der Staat hatte eine Lebenslast, eine schwere Sorge von ihnen genommen.
Die meisten Familien schwiegen hernach; viele schämten sich, die Namen der Opfer zu nennen. Erst heute, nach bald 70 Jahren, löst sich der Bann. Langsam tauchen jene Vergessenen wieder auf, die sterben mussten, weil sie als verrückt, lästig oder peinlich galten, weil sie unnormal, chronisch krank, gemeingefährlich, arbeitsunfähig oder pflegebedürftig waren, weil sie ihre Familie mit dem Makel »erbkrank« belasteten.
Götz Aly beschreibt, wie die Euthanasiemorde in der Mitte der deutschen Gesellschaft als öffentlich bekanntes Geheimnis von statten gingen.
Er lässt die Opfer sprechen, zeigt, wie sich die Anverwandten verhielten und wie Ärzte das Töten in den therapeutischen Alltag übernahmen und zugleich reformerische Ziele verfolgten.