Mit seinem Buch „Das System der Abweichungen“ ist Roland Schleiffer eine Neubegründung der Psychopathologie auf der Basis der modernen, von Niklas Luhmann begründeten Systemtheorie gelungen. Nach den dort behandelten Störungen aus dem Autismusspektrum und den Psychosen widmet er sich in diesem Buch den nichtpsychotischen Störungsbildern: Dissozialität, Depression, Suizidalität und selbstschädigendes Verhalten, Angst- und Zwangsstörungen, Essstörungen, Suchtverhalten, hyperaktives und aufmerksamkeitsgestörtes Verhalten sowie somatoforme und sogenannte psychosomatische Störungen bzw. Krankheiten.

Psychische Störung oder psychische Krankheit wird hier als Verhaltensweise verstanden, die Menschen als Selbsthilfemechanismus einsetzen, um die Integrität ihrer durch ungewohnte Kontextbedingungen gefährdeten Persönlichkeit aufrechtzuerhalten. So betrachtet, hat die Störung nicht nur eine Funktion, sondern auch „Sinn“.

Ausgehend von den aktuellen Ergebnissen der klinischen Forschung wird mittels der für die Systemtheorie zentralen Methode der funktionalen Analyse jeweils das Problem konstruiert, für das diese Verhaltensauffälligkeiten als Problemlösungsversuch anzusehen sind. Eine überzeugende Problemkonstruktion eröffnet den Blick für funktional äquivalente Problemlösemöglichkeiten, die allerdings mit weniger Nachteilen verbunden sind – sowohl für die Patienten und Klienten selbst als auch für deren Umwelt.