Benachteiligte Jugendliche werden im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs meist anhand von Defizitkategorien in der Gegenwart schwieriger Lebenssituationen klassifiziert. Doch sie sind sozialisierte Nachkommen konkreter Akteure, die ihren Alltag mit bestimmten Arbeits- und Lebensweisen bewältigen mussten. Um ihr Handeln und Wahrnehmen fördern zu können, muss es auf dieser historischen Grundlage verstanden werden. Dies gilt selbst dann, wenn sich der dabei transportierte soziale Sinn unter gegebenen Verhältnissen nicht unmittelbar umSetzen lässt.
In Anlehnung an die Habitustheorie Pierre Bourdieus zeichnet die Studie die exemplarischen Arbeits- und Lebensverhältnisse unterer Schichten in und um eine niedersächsische Kleinstadt vom Ende des Dreißigjährigen Kriegs bis in die Gegenwart des zeitgenössischen Übergangssystems nach. Über sechs Zeitabschnitte hinweg wird die Herausbildung und transformatorische Entwicklung acht idealtypischer Strukturmuster in mehreren praktischen Dimensionen beschrieben. Dabei werden historische Regelmäßigkeiten sichtbar, die unterbäuerliche Gruppen, Deklassierte und Zuwanderer über die Industrialisierungsperiode hinweg mit den heutigen Zielgruppen der beruflichen Benachteiligtenförderung verbinden. So entsteht eine Matrix typologischer Bewältigungsstrategien, Sinnkonzeptionen und Genialitäten, die zum Kompetenzverständnis benachteiligter Zielgruppen in Wissenschaft und Praxis beitragen soll.