Das Ungewöhnliche an diesem reich illustrierten Buch liegt in dem Versuch, die schöpferischen Impulse der Wiener Moderne innerhalb der zeitgeschichtlichen Spannungen kontinuierlich von 1890 bis 1940 zu verfolgen. Dadurch wird eine genaue Ortsbestimmung der daran beteiligten Kreise entwickelt. Hervorgehoben werden die Dynamik der Kreise und ihre Verflechtung mit der erotischen Subkultur; die Auflockerung der Geschlechterrollen im Zuge der Frauenbewegung; eine mit der Sonderstellung der Wiener Juden verbundene Macht der Marginalität; das Kaffeehaus als Drehbühne im Strukturwandel der Öffentlichkeit; und die politisch instrumentalisierte Krise der musikalischen Kultur. Eine multimediale Kunstszene machte es möglich, im Rahmen einer neuen architektonischen Raumkunst eine gewagte Körpersprache zu entwickeln.


Nach dem Zusammenbruch der Monarchie und dem Durchbruch der Sozialdemokraten zur Herrschaft im Roten Wien wird der Kampf um die ideologische Hegemonie in der Ersten Republik virulent. Um die Minderwertigkeitskomplexe des zusammengeschrumpften Staates auszugleichen, wurden kulturpolitische Initiativen gestartet, von Eheberatungsstellen und Kinderkrippen über Theater- und Musikfeste bis zu philosophischen Seminaren und Kongressen der Pan Europa- und Zionisten-Bewegungen. Gleichzeitig trugen der Aufstieg der Hakenkreuzler und die neuen Medien wie Kino und Rundfunk zu einer Zuspitzung der politischen Konflikte bei. Erst nach dem Anschluss und der erzwungenen Emigration von vielen Kunstschaffenden gewannen die von Wien ausgehenden Innovationen ihre weltweite Resonanz als Birth of the Modern.