Ottmar Ette erkundet in seinem Essay die Denk- und Schreiblandschaften von Roland Barthes.

Spricht man von Landschaften der Theorie, so sind die Entfaltungen der Stadtlandschaft(en) von Paris ebenso von Bedeutung wie die Landschaften, die Barthes bereist. Es geht um die in Mythologies entwickelten 'lebendigen' Landschaften der Stadt wie auch um die Visionen unterschiedlicher Achsen des Wissens, des Wollens und des Könnens in den Visionen vom Eiffelturm. Es geht aber auch um die Landschaften der Reisen, die Barthes nach Griechenland, Marokko, Japan, China und in die USA unternimmt. Landschaft und Theorie sind hier eng miteinander vernetzt und ergänzen sich wechselseitig.
Im Sinne der von Barthes propagierten 'dépossession de l’Occident' ('Enteignung des Okzidents') liegt Ettes Augenmerk auf der Beziehung zwischen einem 'Reich der Zeichen' (insbesondere außerhalb Europas) und einem 'Reich des Wissens' (vor allem in Paris). Zwischen beiden besteht ein Spannungsverhältnis, das sich ebenso auf der Ebene der Schreiborte (am eigenen Schreibtisch in Paris oder in seinem Landhaus in Urt) wie der Schreibformen beobachten lässt. Von den 'lebendigen Dingen' in den Landschaften der Theorie bis hin zu einer Theorie des lebendigen Textes werden dabei die literarästhetischen und literarischen, die kulturtheoretischen und kulturellen, die reiseliterarischen und bewegungstheoretischen Dimensionen von Barthes’ Denken und Schreiben ausgeleuchtet. So stellen die lebendigen Landschaften der Theorie Roland Barthes’ schließlich auch für die Theorien des 21. Jahrhunderts eine Herausforderung dar.