Kaum ein anderes Thema wird heutzutage in der Tschechischen Republik mit so großer Vehemenz diskutiert wie die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Neben historiographischen Debatten und journalistischen Publikationen tragen auch literarische Texte dazu bei, die Problematik der Vertreibung in neuem Licht zu präsentieren. Zu den Werken der Gegenwartsliteratur, die sich mit dem schmerzhaften und bis heute immer noch teilweise tabuisierten Kapitel der deutsch-tschechischen Geschichte auseinandersetzen, gehört auch der Roman Vyhnani Gerty Schnirch (2009; Die Vertreibung der Gerta Schnirch) der jungen tschechischen Autorin Katerina Tuckova. Valentina Kaptayn untersucht in ihrer Studie die literarische Repräsentation der Vertreibung in Tuckovas Werk. Neben einer gründlichen Text-analyse, die die narratologischen Besonderheiten des Romans aufdeckt, geht sie auch auf die zentralen thematischen Aspekte ein. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der detaillierten Untersuchung einiger problematischer Diskurse über die Vertreibung, zu denen im Roman unter anderem die deutsch-tschechischen Beziehungen, die schwierige Frage nach der Schuld bzw. Unschuld und das Trauma des Identitäts- und Heimatverlustes gehören. Durch die Untersuchung werden die literarischen Mechanismen deutlich, mit deren Hilfe die Vertreibung in Vyhnani Gerty Schnirch als multiperspektivischer Komplex im Spannungsfeld zwischen Fiktion und Fakten konstruiert wird.