Viele zeitgenössische TheaterautorInnen aus dem deutschsprachigen, britischen und US-amerikanischen Raum befassen sich in ihren Texten eingehend mit der Kontingenz von Geschlecht. Die vorliegende Studie zeigt in detaillierten Analysen, dass AutorInnen wie Elfriede Jelinek, René Pollesch, Mark Ravenhill oder Edward Albee abendländischen Konzepten von essentialisierter Weiblichkeit und Männlichkeit ein komplexeres Spektrum geschlechtlicher Existenzformen entgegenstellen und Geschlecht als prinzipiell kulturell produziertes Phänomen vorführen. Um diese alternativen Repräsentationen von Geschlecht analytisch erfassen zu können und vor dem Hintergrund breiterer, aktuell virulenter Debatten um die Konstitution von Geschlecht zu untersuchen, beleuchtet die Studie die Texte im Anschluss an solche Denkmodelle, wie sie die Gender Studies zur Verfügung stellen. Dabei wird auch deutlich, dass Theater und Gender-Theorie deshalb in engem Zusammenhang stehen, weil die Gender-Theorie die Genese von Geschlecht dezidiert unter Rückgriff auf theatrale Metaphern beschreibt. Ausgehend von Bertolt Brechts Verfremdungsbegriff lassen sich die alternativen Repräsentationen geschlechtlicher Identität in den untersuchten Theatertexten als ‚Geschlechterverfremdung’ behandeln, weil die Unterbrechung und Transgression konventioneller Geschlechterkategorien den Blick auf jene Mechanismen zu lenken vermag, durch welche die Illusion eines natürlichen, vermeintlich unveränderbaren Frau- und Mannseins erzeugt wird.