Einleitung: Ostafrika im Blickfeld Europas
Mit der Eröffnung des Suezkanals im Jahr 1869 geriet auch Ostafrika immer stärker in das Blickfeld Europas. 1868 hatten katholische Missionare der Missionsgesellschaft vom Heiligen Geist, kurz Spiritaner genannt, in Bagamoyo am Indischen Ozean im heutigen Tansania die erste katholische Missionsstation auf dem ostafrikanischen Festland gegründet. 1888, zwanzig Jahre später, begannen Vertreter der Deutschen Ostafrika-Gesellschaft/DOAG, ebenfalls von Bagamoyo aus, die Kolonie Deutsch-Ostafrika zu errichten. An diesem einen Ort kann beispielhaft dargestellt werden, was im ausgehenden 19. Jahrhundert auch an anderen Orten in Afrika geschah.
Europäer mit unterschiedlichen Einstellungen den Afrikanern gegenüber prallten aufeinander. 1933 schrieb Leo Frobenius in der Einleitung zu seinem Buch „Kulturgeschichte Afrikas": „Wir sollten nicht vergessen, dass noch vor einem Menschenleben Afrika in der Vorstellung auch gebildeter Europäer ein trostloses Land war. Und die Eingeborenen? Halb-tierische Barbaren; ein Sklavenvolk, dessen rohe Verkommenheit nur den Fetischismus produziert hat und sonst nichts!" Das war 1933, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts! Da gab es im 19. Jahrhundert aber auch ganz andere Aussagen über die Afrikaner. Am 15. August 1842 legte Pater Franz M. Paul Libermann, später der 11. Generalobere der Spiritaner, in seinem „Missionsmemorandum" an den Vatikan in Rom dar: „Die Schwarzen sind nicht weniger begabt als alle anderen. Man muss sie nur fördern und sich zielbewusst darum bemühen, sie zu guten Christen zu machen." Libermann kannte die Vorurteile, mit denen manche Zeitgenossen die Afrikaner beurteilten. Als seine Mitarbeiter P. Eugene Tisserant und P. Frederic Le Vavasseur 1842 nach Haiti gingen, um dort unter Sklaven zu wirken, haben wohl viele gutmeinende Freunde davon abgeraten. In einem Brief fasst Libermann alle Vorurteile zusammen: „Von Anfang an haben gewisse Personen uns von unserem Vorhaben abzubringen versucht. Die Neger – so sagten sie – werden niemals sich selbst beherrschen können. Sie werden nie die hehren Gefühle, die man ihnen zu vermitteln sucht, nachempfinden. Sie seien dumm, unfähig, herzlos, diebisch." Libermann ließ sich von solchen Vorurteilen nicht verwirren. Für ihn waren die Schwarzen „nicht weniger begabt als alle anderen". Die Spiritanermissionare in Bagamoyo teilten mit Libermann dieses Afrikabild.
Da kamen Europäer mit unterschiedlichen Absichten nach Afrika. Die einen begannen, Afrikanern die christliche Botschaft zu verkünden. Allerdings haben sie dabei auch die europäische Lebensart eingeführt. Die anderen kamen, um die Länder Afrikas in Kolonien aufzuteilen, um die Bodenschätze Afrikas auszubeuten und um über die Afrikaner zu herrschen.
Zwei Richtungen aus Europa prallten in Afrika aufeinander. Ich möchte die Ereignisse an diesem einen Ort Bagamoyo zwischen 1888–1918 darstellen. Dabei kann Kolonialgeschichte und Missionsgeschichte beleuchtet werden. Auch interessante religionsgeschichtliche Aspekte sind zu beobachten. Die Missionare und die Kolonisatoren kamen in Ostafrika in ein Land, das vom Islam geprägt war. In Ostafrika waren Moslems zudem in die damalige ostafrikanische Sklaverei verwickelt. In einer Zeit, in der in Europa die Anti-Sklaverei-Bewegung immer stärker wurde. Das hatte interessante Auswirkungen auf das Araberbild des 19. Jahrhunderts. Manche Ansichten sind uns heute fremd. Ich werde sie einfach so stehen lassen, wie sie in den Dokumenten der damaligen Zeit zu finden sind.
Rostock im Januar 2013
P. Johannes Henschel