Gedichte sind etwas Zeitliches. Trotz allem gehören sie nicht der Linearität der Zeit an. Sie sind vielmehr in ihrer Sprachlichkeit zeitgebunden, was sich im Gedicht in der Form eines poetischen Prozesses ausspricht. Nelly Sachs' und Paul Celans Gedichte bringen nicht nur ihre eigene Zeitlichkeit hervor, sondern kommunizieren auch ihren Ereignischarakter. In ihren Texten, in denen das Bedeutete nur anhand des dichtenden Ereignisses ausgesprochen werden kann, erhält Zeitlichkeit semantische Relevanz. Die Arbeit zeigt, dass ein systematisch entwickelter Zeitbegriff, mit Kategorien wie Werden und Vergehen, lyrischen Texten äußerlich bleibt.

So eröffnet die Untersuchung der ästhetischen Temporalität einen neuen Zugang zu Sachs' und Celans Gedichten, indem sie die Verlaufsform der Rede im Hinblick auf die Prozessualität des Gedichtfortgangs entwickelt. Die Arbeit erschließt den Prozessbegriff für die Textpoetik, liefert neue Erkenntnis zur Poetik Sachs' und Celans, diskutiert gattungstheoretische Fragen zur Lyrik und erprobt das prozessuale Interpretationsverfahren an ausgewählten Gedichten beider Autoren, die in ihrer Singularität im Zentrum der Arbeit stehen.