Schwedische Behördentexte wirken oftmals einfacher, informeller und alltagssprachlicher als entsprechende deutsche Texte. Diese Unterschiede gehen auf divergierende sozio-kulturelle und (sprach-)politische Entwicklungen in den beiden Ländern seit den 1950er Jahren zurück. Für die deutsche Behördensprache wird zwar auch eine Veränderung der öffentlichen Sprache angenommen – die Forderung nach mehr Bürgernähe der Verwaltung lässt dies vermuten –, empirisch belegt wurde diese jedoch bisher nicht.
In der vorliegenden Studie wird daher der Frage nachgegangen, ob sich schwedische und deutsche Behördentexte in ihrer sprachlichen Ausgestaltung dahingehend verändert haben, dass eine "Vernähesprachlichung" stattgefunden hat. Auf der Basis eines Textkorpus, das Briefe und Broschüren aus schwedischen und deutschen kommunalen Behörden aus dem Zeitraum von 1950 bis 2004 umfasst, werden zwei Phänomenbereiche untersucht: (1) "Vernähesprachlichung" ("De-Distanzierung") durch Abbau typisch konzeptionell schriftlicher, grammatischer Korrelate, d.h. Reduktion der Komplexität, Kompaktheit, Integration und Informationsdichte im syntaktischen Bereich. (2) "Vernähesprachlichung" ("Intimisierung") durch eine andere Markierung der sozialen Rollenbeziehungen. Hierfür werden die Gebrauchsfrequenzen der Anredepronomen, der Pronomen der ersten Person, der Gruß- und Abschiedsformeln sowie die Integration von Bildern und Grafiken erfasst.