Die kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Umbrüche, die sich im auslaufenden Mittelalter ereignen, finden auch in der Literatur dieser Epoche ihren Niederschlag. Es ist das Zeitalter, in dem der Humanismus der Renaissance die Ideologien des Mittelalters zu durchdringen beginnt und letztlich völlig verdrängt. Am Beispiel der spanischen Literatur – als einer der großen Muster der Weltliteratur – soll der Prozess des Übergangs in die Moderne illustriert werden. Begleitet wird dieser historische Wandel von einer Welle der Glaubenserneuerung, die in anderen Ländern am Ende zur Etablierung nationaler protestantischer Kirchen geführt hat. Mit der Reconquista, der Rückeroberung der an die Mauren verlorenen Territorien, kommt der Jahrhunderte dauernde Prozess der nationalen Einigung Spaniens zu seinem krönenden Abschluss. In der Literatur dieser Übergangszeit geht es dabei um die Einflussnahme auf die Gestaltung der neuen Monarchie in der Auseinandersetzung zwischen Kirche, Adel und aufstrebendem Bürgertum, welche mit unterschiedlicher Überzeugungskraft die Ideen des historischen Wandels propagieren oder bekämpfen. Literarisch setzen sich gegenüber dem doktrinären klerikalen Diskurs humanistische Maßstäbe durch: Pastorale, Novelle, Roman und deren wegbereitenden Muster, der Lararillo de Tormes, das früheste Muster des pikaresken Romans, und der Don Quijote de la Mancha als der Ursprung des modernen Erzählens, die unmittelbare Verbreitung finden und letztlich das Fundament bilden für das, was in der Moderne folgen sollte.