Seit einiger Zeit ist in den Kultur- und Textwissenschaften die Kategorie des Raumes so stark in den Vordergrund getreten, dass man sich längst angewöhnt hat, von einem spatial turn zu sprechen. Die Debatte entsprang in den literarästhetisch motivierten Cultural Studies bekanntlich zunächst dem Versuch, die «Postmoderne» von der «Moderne» abzuheben: Diese sei dadurch gekennzeichnet, dass sie in Ordnungskategorien der Zeit denke, jene aber in solchen des Raumes. In den Literaturwissenschaften wird im Gefolge dieser Debatte die Wahrnehmung von Räumen (Orten, Landschaften usw.) inzwischen auch als Metapher für Denkfiguren, Schreibweisen, Sprachkontakte oder mediale Räume diskutiert (siehe auch die Beiträge zum GiG-Band über Metropolen). Auch in den Sprachwissenschaften ist die Untersuchung räumlicher Relationen und deren Niederschlag im sprachlichen Gebrauch und in Zeigehandlungen seit langem ein etabliertes Forschungsfeld. Beide Forschungsstränge gilt es daher für die Untersuchung interkultureller Sprach- und Literaturdiskurse fruchtbar zu machen, indem eine internationale Autorenschaft speziell für diesen Band drei Problemfelder aus interkultureller Perspektive in den Blick nimmt: Literarische Modellierungen des Raumes, Sprachliche Mittel zum Ausdruck räumlicher Relationen und die Visualisierung des Raumes in Kunst, Film und Neuen Medien.