Die Dioptra ist ein umfangreiches Lehrgedicht, das gegen Ende des 11. Jahrhunderts von einem byzantinischen Mönch namens Philippos (später unter dem Beinamen Monotropos bekannt) verfasst wurde und ein Kompendium des theologischen und philosophischen Wissens seiner Zeit darstellt. Das Werk besteht aus fünf Büchern, die insgesamt über 7000 Verse umfassen; hinzu kommen noch umfangreiche Prosaeinschübe. Vier der Bücher der Dioptra sind in der Form eines Dialoges zwischen Fleisch (sarx) and Seele (psychē) verfasst, wobei die Seele Fragen stellt und das Fleisch antwortet. Das verbleibende Buch, genannt Klauthmoi (sl. Plačeve), ist ein Klagegedicht, in dem ein reumütiger Mönch sich an seine Seele wendet und sie angesichts des Todes und der die Sünder erwartenden Qualen zur Buße auffordert. Die Einbindung umfangreichen (pseudo-)säkularen Wissens in ein religiöses Gedankengebäude zusammen mit der ansprechenden Präsentation als versifiziertes Gespräch ist vermutlich der Grund für die enorme Verbreitung des Werks: Das griechische Original ist in ungefähr 80 Handschriften überliefert, die slavischen Übersetzung, die um die Mitte des 14. Jahrhunderts geschaffen wurde, in etwa 200.

Als erster in einer Reihe von vier Bänden enthält der vorgelegte Band zunächst die Überlieferungsgeschichte der slavischen Dioptra. Er bietet ausführliche Beschreibungen aller verfügbaren Handschriften, eine detaillierte Filiation der Zeugen sowie eine Darstellung der Ausbreitung des Werks über die Slavia orthodoxa.

Darüber hinaus bietet der Band die kritische Edition des ersten Teils des Werks, und zwar der Vorworte, des ersten Buches (Klauthmoi/Plačeve) und der Erweiterungen der russischen Rezension (Ib). Der Text beruht auf dem Codex Leopolitanus (L’viv NB NANU im. Stefanyka MV-418), dem einzigen vollständig erhaltenen Zeugen in der mittelbulgarischen Redaktion der ursprünglichen Übersetzung. Der kritische Apparat enthält die Lesarten aller unabhängigen Zeugen sowie der wichtigsten codices descripti (bis zu 40 Handschriften). Aufgrund ihres streng imitativen Charakters wird der slavischen Übersetzung ein griechischer Vergleichstext beigegeben, der auf der mit der verlorenen Vorlage am nächsten verwandten Handschrift beruht (Vaticanus gr. 1893). Diesem ist seinerseits ein kritischer Apparat beigefügt, der die Varianten der anderen fünf Handschriften des Zweiges enthält, zu dem die Vorlage gehörte. Sowohl dem griechischen als auch dem slavischen Text ist ein weiterer Apparat beigestellt, der die frühe Überarbeitung (Rez. II) der slavischen Übersetzung mit einer weiteren griechischen Handschrift veranschaulicht. Der Editionsteil enthält weiters eine deutsche Übersetzung, wo nötig mit kurzen Kommentaren.