Die Psychiatrie als Disziplin hat sich mit ihren Diagnosekatalogen DSM und ICD in einem Labyrinth dysfunktionaler Beschreibungen verrannt. Vergleichbar den pseudowissenschaftlichen Taxonomien des Spätmittelalters zeigen sie eine fatale Tendenz zur ungehemmten Pathologisierung menschlichen Verhaltens. Sie verfehlen den kulturellen Charakter und die Symbolbasiertheit menschlicher Bewusstheit und – im Symbolverlust – die Spezifität psychischer Krisen.
‚Symbolische Form und psychische Erkrankung’ zeichnet Geschichte und Perspektiven psychiatrischer Symboltheorien nach und untersucht die Gründe ihrer bisherigen Marginalisierung im klinischen Mainstream. Ausgehend von Ernst Cassirers Postulat, dass der Mensch das Animal Symbolicum sei, fokussiert die Arbeit auf dessen Konzept universaler ‚Invarianten menschlicher Erfahrung’. Es lässt eine alternative Architektur interaktiver Bewusstheit denken, und erlaubt eine radikal veränderte Sicht auf die daraus ableitbaren Störungen im zwischenmenschlichen Beisammensein.
Vor uns entfaltet sich so eine Matrix subjektiver Intentionalität und ihrer sozialen Resonanzräume, die die bisherigen Definitionen psychischer Gesundheit und Krankheit infrage stellt und einen radikalen Blickwechsel in der Beurteilung und in der Therapie psychischer Krisen einfordert: eine ‚neue’ Psychopathologie, die den Weg weist, heraus aus der Selbstverriegelung einer marktkonformen Psychiatrie und der neokolonialen Arroganz westlicher Bewertungskategorien.