Die Aufgabe, die sich die vorliegende Untersuchung am höfischen Erzähltext Wolframs von Eschenbach stellt, orientiert sich an der Fragestellung, wie die sowohl psychisch-mentale als auch religiöse Entwicklung des Protagonisten vonstattengeht und in welch größeren Kontext der Reifungsprozess des Helden eingeordnet werden muss. Als literarisches Analysewerkzeug dient die Theorie der semantischen Räume, welche auf den baltischen Semiotiker Jurij M. Lotman zurückgeht. Vor dem Hintergrund der seelisch-geistigen Entwicklung Parzivals erscheint die „Grenzüberschreitungstheorie“ als adäquates Arbeitsmittel, um die Tiefenstrukturen des höfischen Epos nach außen zu kehren. Analog hierzu wird mit Blick auf Wolframs Parzival die These überprüft, inwiefern Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsfindung durch Grenzüberschreitungen vonstattengehen kann. Konkretisiert bedeutet dies für die Analysearbeit, dass das vom Text generierte Netz aus Ordnungsstörungen und Störungstilgungen systematisiert und in den Gesamtkontext eingebunden wird. Die gewonnenen Erkenntnisse liefern einen Beitrag dazu, das Kunstwerk Parzival ein Stück besser zu verstehen.