Seit Giorgio Agambens Studien aus den Neunziger Jahren traten die Themen der „Souveränität“ und des „Ausnahmezustands“ sowie die Verknüpfung von „Leben“ und „Recht“ in der (Bio-)Politik als grundlegende Elemente des modernen europäischen Selbst- und Machtverständnisses zunehmend in den Fokus der Geisteswissenschaften. Dabei wurde jedoch die spezifisch literarische Beschäftigung mit diesen Themenkomplexen, die gleichzeitig mit der juristisch-politischen Reflexion nach dem Ersten Weltkrieg einsetzt, von der Forschung bis dato nur ansatzweise berücksichtigt.
Sind Werke wie etwa Hofmannsthals Turm und Kafkas Schloss selbst als „Ausnahmen“ in der literarischen Landschaft jener Jahre zu verbuchen oder ist es gerechtfertigt, eine „Literatur des Ausnahmezustands“ seit den 10er und 20er Jahren anzunehmen? Welchen Beitrag leistet eine speziell literarische Reflexion über Gewalt, Recht und Biopolitik in der Debatte über diese Themen? Inwieweit vermag sie neue Akzente zu setzen?
Ausgehend von der Annahme, dass diese Fragen in der Epoche der beiden Weltkriege zwischen 1914 und 1945 akut werden, untersucht der Sammelband repräsentative Werke u.a. von Hofmannsthal, E. Jünger, Th. Mann, Musil, Remarque, A. v. Stauffenberg und R. Walser hinsichtlich ihrer Stellung zum Konzept des „Ausnahmezustands“.