Zeichen eines großen Schriftstellers (Doderer): man nimmt von ihm auch praktische Ratschläge für den Alltag an, sagt Peter Handke. Martin Walser hat diesen Satz seiner Sammlung mit Texten seiner bevorzugten Schriftstellerkollegen von gestern und heute vorangestellt: Wer kennt sich schon. Und so idt das zentrale Motiv dieser Textauswahl die Selbstbegegnung des Lesers bei der Lektüre. Man könnte sagen, das Buch sei überhaupt das Medium der Selbstbegegnung, schreibt Martin Walser. Jeder Leser schreibe beim Lesen eines Buches sein eigenes Buch. Und so begegne er sich eben selbst. Aber kennt er sich dann? Martin Walser wirft mit jedem Text dieser eindringlichen Sammlung die Frage aufs Neue auf. Dass Bücher so hineinwirken in uns, muss daran liegen, dass wir bei dieser Wirkung alles andere als passiv sind. Lesen -, was für ein Understatement. Wir schaffen doch, was wir lesen. Aus schwarzweißen dimensionslosen Buchstabenanordnungen schaffen wir Farbe, Geruch, Bewegung und Klang. Wenn im Buch Schmerz und Angst vorkommen, blieben Schmerz und Angst Papier, wenn wir sie nicht mit unseren Schmerz- und Angsterfahrung zum Leben erweckten. Im Buch haben wir ein Gegenüber, das zwar von außen stammt, aber doch nur durch uns existiert. Wer kennt sich schon erschien erstmals 1992 als Lektüre zwischen den Jahren im Suhrkamp Verlag.