Religion als rationale Antwort auf die moderne Zivilisation?
Die traditionsreiche literarische Gattung der Utopie tritt heute nahezu exklusiv als Schreckensutopie auf. Das ist ein gutes Zeichen. Statt Gewissheiten kommenden politischen Heils, das einst in den untergegangenen totalitären Systemen schrankenlos Aufopferungsbereitschaften einfordern liess, bewegen uns heute weltweit überwiegend Besorgnisse um triviale, nämlich elementare Voraussetzungen guten Lebens – Wohlfahrt und soziale Sicherheit, verlässliches Recht und Frieden. Die Zugkraft dieser gemeinen Zwecke dynamisiert die zivilisatorische Evolution, die uns zugleich mit Erfahrungen ihrer Risiken und Folgelasten bedrückt. Der Grenznutzen des Fortschritts nimmt ab, Zukunftserwartungen werden darüber realistischer. Irreversibel sind mit moderner Zivilisationsdynamik zugleich Säkularisierungsprozesse verbunden – unaufhaltsam sogar in den Konflikten zwischen Emanzipation und fundamentalistischer Reaktion in islamisch geprägten Ländern und residual auch noch in der christlichen Welt. In diesem Buch wird die Prognose riskiert, dass im Gegensatz zu prominenten Annahmen europäischer Aufklärung die moderne Zivilisation die Religion keineswegs zum Verschwinden bringt. Im Gegenteil gewinnen die modernisierungsindifferenten Herausforderungen menschlichen Lebens an Prägnanz und Aufdringlichkeit, auf die sich rational einzig religiös antworten lässt.
Aus dem Inhalt
I. Selbstbestimmung. Über die Pluralisierung politischer Lebenswelten
II. Ungleichheitsfolgen egalitärer Rechte
III. Werte und Interessen
IV. Zählende und erzählende Wissenschaften. Prognosen und Vergangenheitsvergegenwärtigungen
V. Religionskulturelle Voraussetzungen und Folgen der Säkularisierung
VI. Modernisierungstheoretiker im Überblick
VII. Philosophie – kulturell omnipräsent und anschaulich auf den Begriff gebracht