„Auch meine beiden Söhne traten mit ihrer Mutter und Schwester an den Altar heran. Ich konnte mich der Tränen nicht erwehren im Gedenken an das, was ihnen vielleicht bevorstünde. Dass doch Gott in Gnaden sich unser aller erbarmen wolle“, notiert Pastor Paul Begrich im August 1914. Das Dorfidyll von Heuckewalde bei Zeitz verflüchtigt sich, Familien zerreißen. Sohn Johannes fällt 1915, der Pastor stirbt im Frühjahr 1918. „Meine mit Sorgfalt gehegten Kastanien standen schwermütig in Reih’ und Glied. Tutti brachte mir noch ein Sträußlein roter Rosen und so zog ich nach einer Henkersmahlzeit los, hinaus in den Krieg“, notiert Sohn Martin, der sich durch die Verluste bei Verdun an die Front gerufen sieht. Der spätere Großstadtpfarrer von Sao Paulo/Brasilien muss Abschied nehmen – von der Jugend und von dem elterlichen Pfarrhaus. Tutti wird als Krankenpflegerin in den Zeitzer Lazaretten erwachsen. Beide Tagebücher spiegeln den Zivilisationsbruch durch den Krieg – greifbar durch private, emotionale Augenblicke. Dr. Stefan Wolter öffnet das Archiv seiner Vorfahren. Wort und Bild machen das Werden und Wachsen einer verzweigten Pastorenfamilie erlebbar, die in den verhängnisvollen Verkettungen des 20. Jahrhunderts ihren Zenit erreicht und 1945 gleichsam zu einem Symbol der Katastrophe werden sollte: ein Cousin der Pastorenkinder, Joachim Begrich (Theologieprofessor und Mitglied der Bekennenden Kirche) wird zum Opfer der abermaligen Front; Cousine Irmgard löscht die Ihrigen aus – als verzweifelte Witwe des Generalleutnant der Wehrmacht Paul Gurran. Das Buch ist ein Projekt der Initiative Denk-MAL-Prora, der es gegen Widerstände in Staat und Kirche gelang, die „doppelte Vergangenheit“ des Kolosses von Rügen und somit das Symbol „Schwerter zu Pflugscharen“ in die Erinnerung zurückzurufen.