Die norddeutsche Stadt Hildesheim erlebte gegen Ende des 16. Jahrhunderts eine Phase wirtschaftlicher Blüte, zugleich aber auch heftiger Glaubens - und Bürgerkonflikte, wie sie in Zeiten von Reformation und Gegenreformation europaweit ausgetragen wurden.
In diesen wirtschaftlich erfolgreichen, aber politisch instabilen Jahren entstanden in der Stadt zahlreiche Renaissance-Häuser, deren Fassaden mit kostspieligen farbigen Holzschnitzereien verkleidet waren - so auch die Häuser des protestantischen Ratsherrn und Kaufmanns Hans Storre und des bischöflichen Diplomaten Philip Werner. Die Bauherren waren scharfe politische Kontrahenten und nutzten die Fassaden zur Darstellung ihrer je eigenen Positionen. In den annähernd achtzig Allegorien der beiden Häuser spiegeln sich die unterschiedlichen weltanschaulichen, religiösen und politischen Anschauungen, die Ängste, Abneigungen und Vorlieben der damaligen Zeit.
Vor diesem Hintergrund interpretiert das Heft die Bilderprogramme und Einzelbilder der Häuser und setzt sie in Beziehung zu den zeitgenössischen Konfliktlinien und Positionen.
Über die ikonologische Betrachtung hinaus erinnert das Heft daran, dass das Wernersche Haus als letztes jener berühmten Bilder-Fachwerkhäuser aus der goldenen Epoche im Original erhalten ist, die der Stadt gegen Ende des 19. Jahrhunderts das Prädikat "Nürnberg des Nordens" einbrachten. Die fast einmalige Hildesheimer Tradition der bebilderten Renaissancefassaden ging in den Bombenhageln des Zweiten Weltkrieges unwiderruflich unter. Von daher ist das Wernersche Haus ein unbestrittenes kunst- und bauhistorisches Dokument von Rang. Und zugleich ist es in seinem stummen Streitgespräch mit dem wieder aufgebauten Storreschen Haus ein bedeutendes Zeugnis politischer Bildersprache und politischen Denkens jener Zeit.
Insgesamt 120 Abbildungen, davon 98 farbig.