Was kann die Untersuchung der Shoah-Literatur für aktuelle kulturwissenschaftliche Debatten beitragen? Der Autor des vorliegenden Bandes entwickelt die These, dass die Analyse von Shoah-Erinnerungstexten den Fokus nicht nur auf das Spannungsverhältnis von Historiografie und Fiktion legen kann, sondern auch auf die Konstruktionsbedingungen von Identität. Diese These veranschaulicht und plausibilisiert er an der Analyse der autobiografischen Schriften der Shoah-Überlebenden Fred Wander und Ruth Klüger, die sich – im Gegensatz zu früheren Shoah-Texten – durch ihre stark ‚dialogische‘, selbstreferenzielle, gedächtnis- und identitätsreflektierende Ausrichtung auszeichnen. Die Texte liest der Verfasser als paradigmatischen Fall einer „widerständigen Poetik“ und postuliert, dass eine Theorie sowie eine fruchtbare Untersuchung der Shoah-Autobiografie und der darin enthaltenen Identitäts(re-) konstruktionen ohne dieses breit gefächerte Konzept der Widerständigkeit nur schwer auskommen können. Denn es steht in dem Mittelpunkt autobiografischen Schreibens nach Auschwitz.
Die der Arbeit zugrunde liegende differenzierte literaturtheoretische Perspektive, welche gedächtnistheoretische, soziologische und existenzphilosophische Kategorien miteinander verknüpft und außerdem postkoloniale Aspekte in den Blick nimmt, erlaubt es, die verschiedenen Strategien der Identitätsbildung detailliert herauszuarbeiten. Damit positioniert sich die Studie innerhalb der neueren kulturwissenschaftlichen Diskussionen zu Gedächtnis und Identität und leistet einen wichtigen Beitrag nicht nur zur Wander- und Klüger-Forschung, sondern auch zur interdisziplinären Shoah-(Autobiografie-)Forschung.