Bereits zwei Jahre nach Erscheinen von Schillers 'Verbrecher aus Infamie' in der 'Thalia' (1786) fasst der josephinische Aufklärer Gottfried Immanuel Wenzel (1754–1809) diese höchst erfolgreiche Kriminalerzählung als 'theatralische Menschenschilderung'. Dem anthropologischen und kriminalpsychologischen Programm Schillers, den Blick in die Gesetzbücher um jenen ins menschliche Herz zu ergänzen, schließt Wenzel sich dabei ohne jede Einschränkung an.
Das heute völlig vergessene Bühnenstück 'für Richter und Psichologen' verdient aus mindestens drei Gründen neue Aufmerksamkeit: Erstens steht es für das um 1800 rasch wachsende Interesse an ›wahren‹ Verbrechensgeschichten, an Kriminalpsychologie und Rechtsaufklärung, zweitens verdeutlicht diese literarische Adaption das schon in Schillers Erzählung vorhandene Potential eines nach Aufführung strebenden ›dramatischen Romans‹, drittens leistet es durch die Psychogenese eines Charakters auf der Bühne einen Beitrag zur literarischen Anthropologie. Wenzel übernimmt aus Schillers Vorlage lange Passagen wörtlich, zugleich fügt er aber neues Personal, zusätzliche Verwicklungen und ergänzende Tatumstände hinzu. Entstanden ist so ein exemplarischer Fall für die Adaptionsforschung, die den Raum zwischen Werktreue und Originalität zu vermessen hat.