Das Vorhaben, einen Band über die Geschichte der Berliner Indologie und Südasienstudien zusammenzustellen, reifte über viele Jahre. Doch erst die existentielle Bedrohung unserer Fächer im Herbst 2007 – ausgelöst durch den Beschluss des damaligen Präsidiums der Humboldt-Universität, den Bereich Südasien ganz aus dem Profil des Asien-Afrika-Instituts zu streichen – führte die Herausgeber zusammen und ließ den Ideen endlich auch konkrete Schritte folgen.
Ein wichtiger Zwischenschritt auf diesem Weg war ein Workshop an der Humboldt-Universität, der im Februar 2010 die meisten beteiligten Autoren zusammenführte. Die vorliegenden Arbeiten sind auch Ergebnis der überaus anregenden, durchaus auch kontroversen Diskussionen auf diesem Workshop. Dass es weiterer vier Jahre bedurfte, um dieses Projekt nun zum Abschluss zu bringen, ist vor allem den zahlreichen anderen Verpflichtungen der Herausgeber geschuldet.
Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass auch eine Reihe inhaltlicher Diskussionen den Herausgabeprozess begleiteten, die zwar eine zeitliche Verzögerung mit sich brachten, aber dem Buch als Ganzes sicher nutzen konnten.

Der vorliegende Band konnte auch von einigen bereits vorliegenden Arbeiten zu einzelnen Institutionen und Personen der Berliner Indologie und Südasienstudien profitieren. Von besonderem Stellenwert sind hier die Studien Wolfgang Morgenroths zum Seminar für Orientalische Sprachen1 und Ludwig Alsdorfs ausführlicher Aufsatz über „Die Indologie in Berlin von 1812–1945“.
Grundlegender Ausgangspunkt unseres Vorhabens war der besondere Charakter der Berliner Wissenschaftslandschaft, die von einer Vielzahl von Institutionen geprägt war und ist, welche sich auf methodisch und inhaltlich ebenso vielfältige Weise mit der Region Südasien befassen. Ein zusätzliches Berliner Charakteristikum ist die jahrzehntelange Teilung der Stadt und der darauf folgende, z.T. sehr widerspruchsvolle Vereinigungsprozess, welcher der zuvor bereits bestehenden institutionellen Vielfalt eine weitere Dimension hinzufügte.
Es war unser Ziel, herauszufinden, wie sich die Indologie und die anderen südasienbezogenen Wissenschaften in diesen Institutionen etabliert haben und inwieweit sie in der Lage waren, die Vielfalt der Berliner Wissenschaftslandschaft zur Herausbildung eines eigenen Netzwerkes zu nutzen. Diese Frage sollte aus einer streng geschichtlichen Perspektive gestellt und aus dieser Perspektive bis in die heutige Zeit verfolgt werden.
Die unterschiedlichen historischen Epochen und verfügbaren Quellen machten auch diverse methodische Ansätze erforderlich. Darüber hinaus war es unser Anliegen, möglichst Vertreter verschiedener Disziplinen und auch unterschiedlicher wissenschaftlicher und institutioneller Herkunft in diesem Projekt zu vereinen. Zwangsläufig wird das Ergebnis daher sehr heterogen sein, die Perspektiven der Autoren werden sich unterscheiden wie auch die Methoden, die sie in ihren Beiträgen anwenden. Doch statt dies als Nachteil zu sehen, sollten wir diese Vielfalt von vornherein als Vorteil betrachten. Gerade diese Mannigfaltigkeit der Perspektiven kann helfen, eingefahrene Denkmuster zu überwinden und sich selbst aus einer neuen, zunächst ungewohnten Sichtweise zu erleben.
Dass im Titel und auch im Vorwort von „Indologie und Südasienstudien“ die Rede ist, verlangt nach einer Erklärung. Im Sinne einer unlängst von Mitgliedern der Sektion „Indologie und Südasienkunde“ der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft erarbeiteten Definition verstehen wir Indologie hier als „eine auf den indischen Kulturraum bezogene, primär historisch-philologisch arbeitende Erkenntniswissenschaft auf der Grundlage von Quellen“. Andere mit dem geographischen oder auch kulturellen Raum befasste Disziplinen werden hier als „Südasienwissenschaften“ oder „Südasienkunde“ (englisch: South Asian Studies) bezeichnet, z.B. die südasienbezogene Ethnologie oder Geschichtswissenschaft. Doch sollte die nach wie vor nicht ganz klare definitorische Abgrenzung uns nicht darin hindern, nach gemeinsamen Sichtweisen zu suchen und zu klären, inwieweit unser jeweils eigenes Fachverständnis sich unter ein gemeinsames Dach „Indologie/Südasienstudien“ stellen lässt und inwieweit diese Verfahrensweise tragfähig ist.
Mit anderen Worten: Dieses Projekt sollte auch aus der Erfahrung der z.T. schwierigen Verständigung der letzten Jahrzehnte dazu verhelfen, sich unserer Gemeinsamkeiten bewusst zu werden. Wie sahen sich unsere Fächer selbst im Laufe ihrer Geschichte, wie verhielten sie sich zueinander im Rahmen ihrer jeweiligen institutionellen Einbindung?
Bei der Gliederung des Buchs und der Auswahl der Beiträge waren uns zwei Aspekte wichtig: Zum einen sollten möglichst viele geistes- und sozialwissenschaftliche Fächer vertreten sein, die sich in Berlin mit der Region Südasien befassen. Zum anderen sollte dabei nicht die historische Tiefe verlorengehen.
Es schien daher sinnvoll, die Entwicklung der Berliner Indologie und Südasienstudien in ein zugegebenermaßen grobes historisches Raster einzufügen, das grundlegende Entwicklungen vor dem Hintergrund des allgemeinen geschichtlichen Kontextes sichtbar macht. Wir danken an dieser Stelle ausdrücklich Herrn Professor Dr. Wolfgang Morgenroth, der sich im Vorfeld und während des eingangs erwähnten Workshops an der Ausgestaltung dieses geschichtlichen Überblicks beteiligte. Dieser Überblick erwähnt nicht nur die Schwerpunkte und Institutionen der südasienbezogenen Fächer, sondern auch eine Reihe von Einzelpersönlichkeiten, deren Wirken maßgeblich war für die Entwicklung der jeweiligen Fächer.