Die Wiederkäuerbestände im nordwestlichen Europa einschließlich Deutschland waren in den letzten Jahren von zwei Erkrankungen betroffen, die in diesen Breitengraden nie zuvor aufgetreten waren. Es handelt sich zum einen um den Eintrag der Blauzungenkrankheit (BTD) im Jahre 2006, hervorgerufen durch ein Virus, welches zuvor nur in den tropischen und subtropischen Regionen Afrikas, Asiens und Amerikas heimisch gewesen war (Gibbs & Greiner, 1994; Purse et al., 2005). Der Erreger der anderen Erkrankung, ebenfalls viraler Natur, wurde im November 2011 in Deutschland weltweit zum ersten Mal beschrieben. Es handelt sich um das Schmallenberg-Virus (SBV), ein Virus mit unklarer Herkunft (FLI, 2012). Beiden Erkrankungen gemein ist, dass sie von Insekten, im Speziellen von hämatophagen Culicoides-Spezies (Ceratopogonidae, Gnitzen) übertragen werden. Culicoides gehören zur Unterordnung der Mücken. Sie stellen die weltweit kleinsten hämatophagen Insekten dar. Betroffen sind bei beiden Erkrankungen Wiederkäuer, wobei Rinder meist einen milderen Krankheitsverlauf aufweisen als Schafe (Tweedle & Mellor, 2002; FLI, 2012).
Von 2006 bis 2008 wurden in Deutschland 28.838 bestätigte BTD-Fälle gemeldet (BMELV, 2010). Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) schätzte den wirtschaftlichen Schaden allein für den Rindersektor für das Jahr 2007 auf über 100 Millionen € (Müller & Sauerwein, 2010). Diese Summe bezieht ebenfalls Folgeschäden durch Fruchtbarkeitsstörungen sowie Imageschäden und die daraus resultierenden geringeren Absatzmöglichkeiten mit ein.
Seit Ausbruch des ersten Schmallenberg-Falles im November 2011 wurden in Deutschland 2.016 bestätigte Fälle gemeldet (FLI, 2012). Viele Mutterschafe starben während der Geburt durch Perforationen des Uterus, hervorgerufen durch die Fehlstellung der missgebildeten Lämmer (van den Brom et al., 2012). In den Niederlanden wurde in 65 % der betroffenen Schaffarmen ein gestörter Geburtsverlauf beobachtet (Lievaart-Peterson et al., 2012). Bei den Rindern kam es bei 1-2 % zu Missbildungen bzw. Aborten. Der wirtschaftliche Verlust konnte noch nicht abgeschätzt werden, sollte aber in Anbetracht der gravierenden Fruchtschäden, Leistungseinbußen und der Exportverbote, vor allem für Bullensperma, erheblich sein.
Den effektivsten Schutz der Tiere gegen diese viralen Krankheiten stellt die Impfung dar. Allerdings wird in beiden Fällen deutlich, dass vom erstmaligen Auftreten der Erkrankung bis zur Impfstoffentwicklung und Zulassung Jahre vergehen können. Im Falle des Blauzungenvirus, mit 26 verschiedenen Serotypen, wurde gegen den in Deutschland fast ausschließlich auftretenden Serotyp 8 ein Impfstoff entwickelt. Wenn es zu einer erneuten BTD-Epidemie kommen sollte, z. B. durch einen anderen oder mehrere verschiedene Serotypen, muss erneut die Zeit bis zur Impfstoffzulassung berücksichtigt werden. Das FLI schätzt die Gefahr für das Wiederauftreten der Blauzungenkrankheit in Deutschland in den nächsten Jahren als hoch ein (FLI, 2012).
Geeignete Ektoparasitika könnten einen temporären Schutz von Wiederkäuern gegenüber Gnitzen bieten. Insektizide aus der Gruppe der Pyrethroide werden bei Wiederkäuern seit Jahren erfolgreich gegen leckende und stechende Weidefliegen angewandt. Bisher gibt es in Deutschland kein zugelassenes Insektizid für Wiederkäuer mit einer Anwendungszulassung und damit einer nachgewiesenen Wirksamkeit gegenüber Gnitzen. Laborstudien mit Pyrethroiden erzielten vielversprechende Resultate mit hohen Mortalitätsraten für Gnitzen (Mullens et al., 2000; Bravermann et al., 2004; Schmahl et al., 2008, 2009a, 2009b, 2009c; Venail et al., 2011). Felduntersuchungen zur Wirksamkeit von Pyrethroiden gegenüber Gnitzen wurden bisher primär an Rindern durchgeführt (Doherty et al., 2001, 2004; Melville et al., 2001; Mullens et al., 2001; Liebisch et al., 2008; Bauer et al., 2009; Rohrmann, 2009; Skrock, 2011).
In einer Feldstudie sollte die Wirksamkeit des Deltamethrinpräparates (Butox® 7,5 mg/ml pour on, MSD Tiergesundheit Deutschland) gegenüber einheimischen Gnitzen an Schafen untersucht werden. In Vorversuchen sollte ein geeigneter Untersuchungsstandort identifiziert und ein optimales Versuchsdesign entwickelt werden. Die Studie sollte unter GCP (engl.: „Good Clinical Practice“) Richtlinien durchgeführt werden.