Fenster faszinieren: Wer in das hell erleuchtete Fenster eines Haus sieht, erhält Einblick in einen privaten Raum, verfügt mit seinem Blick über die wahrgenommenen Objekte, interpretiert das Geschehen in einer Weise, die oft mehr über den Beobachter selbst als über die beobachteten Personen verrät. Doch welche Bedeutung hat das vieldeutige Motiv des Fenster-Einblicks, dessen Nutzung durch die Literatur der Romantik große Beachtung gefunden hat, in Romanen und Erzählungen der Gegenwart? Welche Spuren hinterlassen die technologischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, die Kontroversen um Big Brother und New Surveillance, die Verschiebungen in den Relationen von privat und öffentlich in literarischen Darstellungen des Fenster-Einblicks? Diesen Fragen geht die Studie anhand von achtzehn Romanen und Erzählungen aus fünf Sprachräumen nach, die in thematisch gruppierten Analysen beleuchtet und mit unterschiedlichen theoretischen Bezugspunkten in Verbindung gebracht werden, u.a. der kulturwissenschaftlichen Raumtheorie, der Phänomenologie, der Intertextualitätstheorie, der Psychoanalyse und den Surveillance Studies. Ausgehend von einem einzelnen literarischen Motiv entsteht so ein detailliertes Panorama literarischer Verwendungsformen, das die enorme Vielfalt gegenwärtiger Wahrnehmungs- und Urteilsweisen sichtbar macht.