Die aktuelle Relevanz der historischen Migrationsforschung resultiert aus der neuen Bedeutung dieses gesellschaftlichen Phänomens um die Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert. Es ist sicherlich kein Zufall, dass zeitgleich mit der Migration auch Themen wie Identität oder Grenze in der Forschung einen neuen Aufschwung erfuhren. Alle drei Bereiche werden schließlich häufig im gegenseitigen Zusammenhang untersucht. Die historische Migrationsforschung erhielt neue Ansätze, die sich zunehmend stark einerseits auf Lebenswelten historischer Akteure, andererseits auf Probleme der Integration, Assimilation und Akkulturation richten. Zugleich wurden neue Fragen an die Migrationsgeschichte des „langen“ 19. Jahrhunderts formuliert. Sie stellten die alltägliche Mobilität über die Grenze ebenso wie die kleinräumige Mobilität zur Diskussion.
Die Autoren des Bandes widmen sich den regionalen Aspekten von „großen“ und „kleinen“ Migrationsprozessen, vor allem im mitteldeutsch-böhmischen Grenzraum. Die Aufmerksamkeit gilt der Zeitspanne von der Frühen Neuzeit bis zum 20. Jahrhundert bzw. bis zur Gegenwart. Gefragt wird, welche spezifischen Probleme und Folgen grenzüberschreitende Migrationen innerhalb der grenznahen Regionen hatten und welche Strategien, Erwartungen und Konsequenzen mit ihnen verbunden waren. Berücksichtigt werden Implikationen für die individuellen und kollektiven Identifikationsprozesse, die gegenseitigen Wahrnehmungen von verschiedenen Gruppen sowie für Prozesse der sozialen und kulturellen Aushandlung bei der Konstituierung teilweise neuer lokaler Gesellschaften. Im Vordergrund stehen kultur- und sozialhistorische bzw. historisch-anthropologische Herangehensweisen.