Alfred Lemm (1889–1918) war eines der großen Talente des literarischen Expressionismus in Deutschland. Jung verstorben hinterließ er doch ein Ausnahmewerk des frühen 20. Jahrhunderts. Drastisch und fantastisch schrieb er sich die großen Probleme seiner Zeit – Gewalt, Gier, Unfreiheit, Antisemitismus – von der Seele. Seine Erzählungen handeln von Mördern und Ermordeten; seine Randfiguren werden Zeuge des zermalmenden Getrampels der Massen, mitten in Berlin gelyncht, durch expressionistische Gemälde gejagt, stoßen eine Gewaltorgie im Seniorenheim an oder verzweifeln (und zerplatzen) schlicht an Lust und Liebe. Gleichzeitig sind Lemms Geschichten kleine Meisterstücke des schwarzen Humors und der Satire. Es ist dieser gewagte Spagat, der ihm gelang wie vielleicht keinem zweiten Schriftsteller und die Lektüre bis heute so lohnenswert macht.
Die Edition versammelt beide Bände der Kurzgeschichtensammlung 'Mord' aus dem letzten Jahr des Ersten Weltkriegs. Das Nachwort führt nicht nur in Lemms Biographie ein, sondern macht auch den politischen Subtext der Erzählungen sichtbar.