Die Vielgestaltigkeit des menschlichen Körpers und die Wandlungen, denen er im Laufe eines Lebens unterworfen sein kann, bilden den Ausgangspunkt der Disability History, die die historische Bedingtheit dieser Phänomene systematisch auf gesellschaftlich-kultureller Ebene erforscht. Die Arbeit verbindet diese innovative Forschungsrichtung mit der historischen Selbstzeugnisforschung: Untersucht werden Texte und Bilder, die die körperliche Verfasstheit als Teil alltäglicher Existenz thematisieren. Dazu gehören Lebensbeschreibungen, Haus- und Familienbücher, Kalendarien, Diarien, Rechnungs- und Haushaltsbücher sowie Briefe. Auf diese Weise rücken Aufzeichnungspraktiken, Kategorisierungs- und Benennungsfragen in den Blick. Zugleich werden die fließenden Übergänge zwischen ›Gesundheit‹ und ›Krankheit‹, ›Funktionsfähigkeit‹ und ›Untauglichkeit‹ deutlich. Die Studie zeigt die differenzierten Erwartungen, Haltungen und Inszenierungen auf, die sich mit dem ›gebrechlichen‹ Körper innerhalb bestimmter sozialer Gruppen verbanden und diesen als Teil der familiären Gedächtniskultur festschrieben.
Disability History versteht sich als eine neue, umfassende Forschungsperspektive, die nicht auf die Erforschung eines Teilgebiets begrenzt ist, sondern den Blick auf das soziale und kulturelle Ganze richtet. Die Arbeit stellt einen weiteren Baustein zu diesem Unternehmen dar.