Anton Kuh weiß: Seine Generation ist in ewiger Pubertät gefangen. Sie muss nun erwachsen werden.

Anton Kuh gehört zu den großen Schriftstellern der deutschsprachigen Literatur, trotzdem geriet er über lange Zeit in Vergessenheit. Dies liegt auch an der inhaltlichen Vielfalt seiner Texte; es liegt kein Hauptwerk vor: Kuh schildert Alltagsbeobachtungen, plaudert über sein Leben, verbreitet Klatsch über die Wiener, Prager und Berliner Kulturszene, beschimpft unliebsame Zeitgenossen, beanstandet Zionismus und Assimilation, verurteilt Nationalismus und Sexismus und schreibt ab Mitte der zwanziger Jahre vehement gegen Faschismus und Antisemitismus an. Kuhs Texte sind aber nur scheinbar unvereinbar, gibt es doch ein wiederkehrendes Denkmuster, mit welchem Kuh die ideologischen Verwirrungen seiner Generation zu fassen versucht: Er diagnostiziert »Infantilismus« als die Krankheit seiner Zeit und propagiert die Herausbildung einer erwachsenen, eigenständigen Identität als Weg zur Heilung. Anhand dieser Argumentationsfigur lässt sich Kuhs ideengeschichtliche Position herausarbeiten, welche sich insbesondere an Ludwig Börne, Friedrich Nietzsche, Otto Gross und Frank Wedekind orientiert. Die Rekonstruktion seiner Analyse einer pubertären Gesellschaft macht verständlich, wie vermeintlich widersprüchliche Gedanken in Anton Kuhs Texten zusammenhängen: Pubertär sind für ihn sowohl jüdischer Selbsthass als auch Zionismus, sowohl Karl Kraus als auch Adolf Hitler.