Am 16. April 1922 schlossen Sowjetrussland und Deutschland in dem italienischen Badeort Rapallo einen Vertrag, durch den sie Verzicht auf etwaige kriegsbedingte Entschädigungsansprüche und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vereinbarten. Aber nicht der Inhalt des Vertrages, sondern die Umstände und die symbolische Bedeutung seines Abschlusses eröffneten eine Etappe der engen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Zusammenarbeit zwischen der Weimarer Republik und der Sowjetunion, die bis heute mit dem Schlagwort "Rapallo" assoziiert wird. Dass es sich dabei um einen Mythos handelt, der in verschiedenen historischen Epochen und Kontexten eine ungebrochene Kontinuität aufweist, ist Ausgangspunkt für die Dissertation von Inna Prudnikova, die die Entstehung, Wirkung und Funktionen dieses Mythos in der Weimarer Republik erforscht.