Die Studie behandelt den Wandel der kommunalen Leistungsverwaltung und der urbanen Gesellschaft anhand des Beispiels der Elektrifizierung der Stadt Frankfurt am Main von den 1880er Jahren bis zum Ende der Weimarer Republik. Dabei zeigt sie auf, dass die Entwicklung des städtischen Elektrizitätssystems in Frankfurt von Anfang an in Verbindung mit einer integrierten Stadtentwicklungspolitik stand, die Verkehrs- und Wohnungsbaupolitik, Mittelstandspolitik, Stadtfinanzen, die Eingemeindung der Vorortgemeinden sowie wirtschaftliche Beziehungen mit den umliegenden Regionen umfasste und als Achse dieser Politik funktionierte.

Als die Frankfurter Stadtverwaltung in den 1880er Jahren die Errichtung eines Städtischen Elektrizitätswerks plante, musste entschieden werden, ob das das Gleichstrom- oder das Wechselstrom- bzw. Einphasen-Wechselstromsystem genutzt werden sollte. Ein Rahmen der Internationalen Elektro-Technischen Ausstellung durchgeführtes Experiments zur Langstreckenübertragung von Strom ergab die technische Überlegenheit des Wechselstromsystems und bewirkte dessen Einführung in Frankfurt und anderen deutschen Städten.
Das Frankfurter Elektrizitätswerk wurde von einem Privatunternehmen aufgebaut und 1899 kommunalisiert, da die Stadtverwaltung Elektrizität als Mittel für Stadtplanung und kommunale Sozialpolitik erkannte. Im gewerblichen Bereich sollte durch eine verstärkte Einführung von Elektromotoren der Mittelstand gestärkt werden, während Tarifpolitik und Streckenausbau der ebenfalls kommunalisierten Straßenbahn in Verbindung mit der Wohnungsbaupolitik zu sehen ist. Nicht zuletzt sollte der Elektrizitätsbetrieb eine Einnahmequelle für den städtischen Haushalt darstellen.
Die Autonomie der Städtischen Elektrizitätswerke geriet in Gefahr, als sich die kommunalen Finanzen als Folge der Erzberger’schen Reichsfinanzreform verschlechterten und zudem Überlandwerke, vor allem das RWE, als Konkurrenten aufkamen. Letztendlich gelang es in Zusammenwirken mit PreussenElektra, die Städtischen Elektrizitätswerke bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts als Hauptstromlieferer zu erhalten und den ergänzenden Bezug von Fremdstrom zu begrenzen.

Die Einführung der Elektrizität und ihre Etablierung als unverzichtbare Energie in den verschiedenen Verbrauchsgebieten verlief stufenweise. Durch ein sozialpolitisch gestaffeltes Tarifsystem konnte sich die elektrische Straßenbahn bis zum Ersten Weltkrieg als das öffentliche Verkehrsmittel der Stadt etablieren. Während zu diesem Zeitpunkt die elektrische Beleuchtung im Privatbereich noch als Luxusgut galt, führten in der Weimarer Republik der sinkende Grundpreis und die Einführung des „Frankfurter Haushaltstarifs“ dazu, dass sich der Anteil elektrisch beleuchteter Wohnungen bis 1929 auf mehr als 80 Prozent erhöhte. Der gleichzeitig beworbene voll elektrifizierte Haushalt wurde zwar in Neubausiedlungen wie der Römerstadt experimentell erprobt, spielte aber wegen der Stromkosten im Alltag noch kaum eine Rolle.

Dr. Takahito Mori, geb. 1977 in Kyoto, Studium der Geschichte und Sozialwissenschaften an der Hitotsubashi Universität in Tokyo. Seit 2012 als Associate Professor für Europäische Sozial- und Wirtschaftsgeschichte tätig an der Hitotsubashi Universität.