»Haben Sie beim Beischlaf Verhütungsmittel benutzt? Wie oft hatten Sie ehelichen Verkehr? Haben Sie schon vor der Hochzeit geahnt, dass Sie Ihre Frau betrügen werden?« Derart unangenehme Fragen über das Intimleben von Mann und Frau lassen in Deutschland alljährlich Hunderte Katholiken über sich ergehen – vor Gerichten der katholischen Kirche.

Für Hunderttausende bei der Kirche angestellter Lehrer, Ärzte und Kindergartenleiter gilt: Wer katholisch getraut ist und eine neue Beziehung eingeht, riskiert seinen Job. Der einzige Ausweg, den
die Kirche bietet: ein »Ehenichtigkeitsprozess«. Die einstigen Partner müssen dort glaubhaft machen, dass ihre erste Ehe nie den Ansprüchen der katholischen Kirche genügt hat. Die Vernehmungen
dauern mitunter den ganzen Tag. Priester führen Verhöre. Christliche Psychologen schreiben Gutachten. Wer Recht bekommt, wird am Ende als nie verheiratet entlassen. 22 Kirchengerichte gibt es in Deutschland. So gut wie nichts dringt darüber an die Öffentlichkeit. Alle Beteiligten werden zur Geheimhaltung verpflichtet – auch was die zweite delikate Aufgabe betrifft: die Ahndung von sexuellem Missbrauch in der Kirche; jenseits aller zivilen Gerichte. Eva Müller konnte vertrauliche Akten einsehen, sprach mit dem sonst scheuen Gerichtspersonal, mit Paaren, deren Existenz vom Urteil abhängt. Ihr Buch bietet zum ersten Mal einen Einblick in die Welt der kirchlichen Justiz.