9. Oktober, 9. November, diese Daten des Jahres 1989 haben sich in das kollektive Wende-Gedächtnis eingebrannt. Der 4. November wird oft vergessen. Dabei demonstrierten an diesem Tag 500 000 Menschen auf dem Ost-Berliner Alexanderplatz.
Die Idee dazu war einen Monat zuvor entstanden, als sich Hunderte Kulturschaffende im Deutschen Theaters trafen. Die Schauspielerin Jutta Wachowiak rief: Lasst uns zusammen auf die Straße gehen. Frenetischer Jubel brandete auf.
Und so kam es. Auf der Rednerliste der Kundgebung standen 26 Namen. Eine bis dahin völlig undenkbare Mischung aus Oppositionellen, Künstlern, Systemtreuen und Parteikadern. Neben den Schriftstellern Christa Wolf und Stefan Heym, den Schauspielern Ulrich Mühe und Jan Josef Liefers sprachen auch die SED-Mitglieder Gregor Gysi und Lothar Bisky, Ex-Stasi-General Markus Wolf und Politbüromitglied Günter Schabowski zu den Demonstranten. Die einen versuchten zu retten, was zu retten war. Die anderen forderten, was plötzlich denkbar schien. Und denkbar schien viel.
Es ging um Pressefreiheit, um Reisefreiheit, um freie Wahlen – nur um eines ging es nicht: Um eine Wiedervereinigung zweier deutscher Staaten. „Alle waren wie verliebt“, erzählt Marianne Birthler, über den Moment, in dem das Volk seine Sprache wiederfand. Eine neue DDR schien möglich. Doch nach dem Mauerfall und den darauf folgenden anarchischen Monaten verlief sich diese unwahrscheinliche Versammlung von Menschen in alle Richtungen.

Aus den Erinnerungen, Reflektionen, Geschichten und Gedanken aller Beteiligten (und ihrer Nachkommen) fügt Patrick Bauer ein faszinierendes Panorama eines zu Unrecht vergessenen großen Tages in der deutsch-deutschen Geschichte zusammen.