Viele Motive in der Dichtung Trakls erscheinen in einem zweideutigen Licht. Überlagert werden diese Ambivalenzen jedoch durch stark wirkende Metaphern, die Eindeutigkeit suggerieren. Trakls poetisches Verfahren zeigt sich sowohl in der Evozierung von Naturmotiven als auch in besonderem Maße in seinen Anspielungen auf reale Landschaften. Diese Studie untersucht, wie in Trakls poetischem Werk solche Landschaftsbezüge und ‚Landschaft gewordene Sprache‘ ineinander übergehen. Um die Besonderheit von Trakls lyrischem Landschaftsbezug zu zeigen, werden Texte von Ingeborg Bachmann, Thomas Bernhard, Robert Walser sowie Rainer Maria Rilkes Gedicht „Landschaft“ vergleichend herangezogen. Besondere Berücksichtigung finden die verschiedenen sprachlichen Bedeutungsebenen von ,Landschaft‘, die sich bei Trakl in einem ‚Zur-Landschaft-Werden‘ der Worte auflösen. In diesen Sprachlandschaften lassen sich ‚verdichtete‘ Alpträume
ebenso verorten wie biographische Hinweise – z. B. seine problematische Beziehung zur Schwester Margarete, die sich in den beiden Fassungen des Gedichts „Schwesters Garten“ Ausdruck zu verschaffen scheint. Am Beispiel ausgewählter Gedichte wird das Spiel mit konkreten Bezügen auf Orte und deren gleichzeitig betriebene Entlokalisierung im Gedicht gezeigt. Eine derartige Loslösung der Gedichte Trakls von ihrem Entstehungsraum legt es nahe, insbesondere den Übergang von realer Topographie in eine poetische ‚Verlandschaftlichung‘ der Sprache genauer zu untersuchen. Von besonderer Bedeutung sind in diesen Übergängen und in Trakls poetischen ‚Verwandlungsversuchen‘ von Landschaft die zahlreichen Todesverweise, die seiner Dichtung auch im malerischen zeitgenössischen Diskurs einen Platz zuweisen – man denke nur an Ludwig Meidners Bild-Versionen der Apokalyptischen Landschaft aus dem Jahre 1913. Unter allen aufgerufenen Orten scheint einzig die Atmosphäre Salzburgs ihre Identität in Trakls Dichtung annähernd gewahrt zu haben. Aber selbst diese Stadt wird durch Metaphern entkonkretisiert. In der Metaphorik Trakls, aber auch in seiner zweideutigen lyrischen Farbgebung, wird die landschaftliche Gegebenheit gleichsam aufgehoben und meistens nur im Gedichttitel evoziert („Musik im Mirabell“, „Am Mönchsberg“). Die Rede von einer Landschaft im (Alp-) Traum verortet Trakls Gedichte somit in einer Poetik der räumlichen Transformationen – im Wort.