Die radikale Sprachanalyse und -kritik aber auch ein massiv gesellschaftskritischer Impetus sind Momente der österreichischen Literatur, die spätestens seit der Avantgardebewegung der Nachkriegszeit als genuin gelten können und bis heute nicht nur Wahrnehmung, sondern auch Produktionsbedingungen österreichischer Literatur beeinflussen. Allerdings lässt sich für die Gegenwartsliteratur des Postmillenniums ein Paradigmenwechsel konstatieren. Mit Argumenten und Prämissen, die mit denen der Debatte um eine neue deutsche Literatur nach 1989 vergleichbar sind, wird nun das Auftreten einer neuen österreichischen Autorengeneration diskutiert, die das „Erzählen“ wieder zum obersten Prinzip erhoben, sich von der spezifischen Tradition emanzipiert hat und zudem einen nicht unerheblichen Erfolg am Buchmarkt verzeichnen kann.
Am konkreten Beispiel des Autors Thomas Glavinic und seiner Werke werden in der Studie zum einen narrative und poetologische Strategien untersucht, die aufzeigen, wie dieses postulierte postavantgardistische Schreiben im Einzelnen als „radikales“ Erzählen beschrieben werden kann, in dem die Narration als geschlossenes Konzept, als Versuchsanordnung funktioniert und das sich vom Zweifel an der Tragfähigkeit der Sprache und von der Brüchigkeit der Erzählung der österreichischen Postmoderne weit entfernt hat. Zum anderen zeigt sich aber auch, dass der Aspekt der bewussten Positionierung des Autors im literarischen Feld im Sinne der Dichotomie zwischen kulturellem Anspruch und Markterfordernissen in der Analyse einer neuen österreichischen Autorengeneration von zentraler Bedeutung ist.