H. W. F. Ueltzen, 1759 in Celle als Sohn eines Zollschreibers geboren, besucht die dortige Lateinschule, wie vor ihm Ludwig Hölty, Karl Goedeke und Albrecht Thaer. Schon der Schüler schreibt Gedichte, verfertigt Nachdichtungen, übt sich in Parodien. Die hier abgedruckten Horaz- und Homer-Übertragungen sind für die deutschsprachige Übersetzungsgeschichte eine Entdeckung! Zu den Fundstücken zählen auch zwei Schülerreden (1776), sie dürften die einzigen sein, die erstmals veröffentlicht werden. Er studiert in Göttingen und ist der Hauslehrer von Johann Friedrich Herbart aus Oldenburg, dem Nachfolger Kants auf dem Lehrstuhl in Königsberg. Ueltzen veröffentlicht im 'Göttinger Musenalmanach' Gedichte, die noch heute in Anthologien und im Internet kursieren: 'Das Liedchen von der Ruhe' und 'Ihr', über das sich Goethe aufregte und das bis heute zitiert wird. Seine Gedichte werden vielfach vertont, auch von Beethoven. Doch der Name des Urhebers verschwindet im Laufe des 19. Jahrhunderts, seine Gedichte werden abwechselnd Jean Paul, Klopstock, Stolberg und anderen zugeschrieben. Ueltzen widmet sich schließlich als Pastor in Langlingen ganz seiner Gemeinde und steigt zu einem bedeutenden Kanzelredner von Kurhannover auf. Mit zwei Bänden gesammelter Gedichte zieht Ueltzen 1795/96 einen Schlußstrich unter Dichterträume und schreibt nur noch gelegentlich Verse und Aufsätze. Das vorliegende Buch verknüpft die wenigen Spuren zum Portrait eines begabten Poeten, Pädagogen, Pastors und Publizisten – es entdeckt eine hier erstmals beachtete Randfigur der Dichtung zwischen Aufklärung und Empfindsamkeit.