Plutarch diskutiert in seiner Schrift Praecepta gerendae reipublicae die Frage, wie man als Grieche unter römischer Herrschaft noch Politik betreiben kann. Dabei entwirft er eine alternative Erinnerungskultur: Im öffentlich-politischen Kontext getätigte Aussagen mit Bezug zum griechischen Freiheitskampf sollten keinesfalls die griechische Bevölkerung zum Widerstand gegen die römische Herrschaft anregen. Ausgehend von dieser Beobachtung geht Frank Ursin den in der Forschung bisher wenig beachteten Leitthemen Freiheit, Herrschaft und Widerstand in der griechischen Literatur der Hohen Kaiserzeit nach. Im Zentrum seiner Untersuchung stehen Reflexionen über das Erinnern, die nicht nur Auskunft über die griechische Vergangenheit, sondern auch über die Haltung der Autoren zur römischen Gegenwart geben. Demnach erlischt das Selbstbild der Griechen als Freiheitskämpfer nicht mit der Einrichtung der Provinz Achaea. Nach der Rücknahme der neronischen Freiheitserklärung an die Griechen durch Vespasian intensivierte sich noch einmal die innergriechische Debatte darüber, wie man sich gegenüber den Römern zu verhalten habe: Kollaboration oder Opposition?