Vorliegende Studie widmet sich der Aktualität und Grösse von Adys Werk, dessen Dichtung sich aus uralten, aus der ungarischen Folklore stammenden, mythischen und archätypischen Symbolen speist. Ady nennt sich einen "verfluchten Spross der 'táltosok' " ("táltosok átkos sarja" - im Gedicht An einem Pariser Morgen). Ob dieser Ausdruck einen realen Grund hat, oder ob es sich nur um eine poetische Wendung handelt, wird durch Adys Gedichte beantwortet. Eine Analyse der Motive des ,táltos'-Gedankenkreises und der Gedichte deckt Bilder- und Gedankenparalellen auf. Es wird gezeigt, dass die rund tausend Gedichte von Endre Ady eine organische Einheit bilden und ihr Symbolsystem ein komplexes Bewusstseinssystem widerspiegeln.
Die Studie gibt einen Überblick über Adys Beziehung zur ungarischen volkstümlichen Galubenswelt und der Folklore in der Szilágyság. Die wichtigste, mit übernatürlicher Kraft versehene, wissende Gestalt des ungarischen Volksglaubens ist der 'táltos'. Es ist bekannt, dass auch Endre Ady mit sechs Fingern geboren wurde, und ihm die körperlichen Zeichen des 'táltos'-Seins bekannt waren. Motive dieses 'táltos'-Bewusstseins werden in Adys Gedichten aufgedeckt. Die theoretischen Grundlagen der Mythosuntersuchung, der Psychologie, der Kulturanthropologie und der Linguistik nutzend wird gezeigt, dass der oben genannte Motivkreis in Adys Gedichten ein einheitliches Symbolsystem bildet, das gleichzeitig auch die komplexe Weltanschauung des Dichters ergibt. Der mythische Raum- und Zeitbegriff, der Durchgang zwischen den Weltschichten, die zentrale Symbolik des Alls, des Lichtes und Gottes beweisen, dass Ady über ein solides philosophisches System verfügte.