Aristoteles sah in der Tragödie des 5. Jahrhunderts v. Chr. den Höhepunkt der griechischen Literatur erreicht. Die Tragiker Aischylos, Sophokles und Euripides repräsentierten die erhabene Gattung. Setzten die Römer gut 400 Jahre später in ihrer goldenen Epoche, der augusteischen Klassik, eher das Epos ins Zentrum und erkannten in Vergils Aeneis das größte
Monument des eigenen kulturellen Erbes, so bedeutete die Konzentration auf eine eigentlich undramatische Gattung nicht den Ausschluss des Tragischen.
In der Aeneis finden sich viele Züge der griechischen Tragödie wieder. Dass dies so ist, beweist das vorliegende Stück: Dido und Aeneas. Es hat auch früher schon Dramatisierungen der Stoffvorlage gegeben, die aber allein auf die Tragik der Didofigur zielen. Christian Klees hat erstmals den Titelrollen ein tragisches Kolorit gegeben, wie sie es bereits in Vergils Werk besitzen. Dido agiert ganz nach Art einer wahnbefangenen euripideischen Heldin. Aeneas dagegen – als gehöre er einer der Tragödien des Aischylos an – entscheidet sich bewusst für ein ihn selbst schmerzliches Schicksal. An der Zukunftslosigkeit ihrer Liebe leiden letztlich beide.