In Rainer Maria Rilkes frühem Gedicht „Im Traume malte ich ein Triptychon“ (aus dem Band Dir zur Feier) steht das lyrische Ich vor einem imaginären Gemälde, in dessen Mitte es die Geliebte auf einem „Mutterthron“ platziert. Es stellt daraufhin entzückt fest: „Ich stand in Staunen“, und dann:

„Die Erinnerung,
daß ich der Meister bin, der so dich malte,
bleibt nach dem Traum und macht den Mut mir jung.“

Die künstlerische Gestaltung der Frau, ihre bewusst eingerichtete Darstellung, ist ein wiederkehrendes, jedoch stets variiertes Element in Rilkes frühen Texten. Ivo Theele geht in der vorliegenden Untersuchung erstmals systematisch der inszenierten Weiblichkeit in Rilkes Frühwerk nach. Diese befindet sich in einem Spannungsfeld von um die Jahrhundertwende weit verbreiteten, in diskursive Muster eingebundenen und ästhetisch überraschend eigenständigen Darstellungsformen. Die Frage nach der produktiven Instanz der Inszenierung spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Anbindung zur sozialen Lebensrealität der Frau um 1900.