Der Kulturbegriff, in den Geisteswissenschaften längst zum Leitkonzept geworden und in öffentlichen Diskursen zunehmend inflationär verwendet, ist unscharf. Kultur kann singuläre Praxis sein, Handlung oder Produkt oder wie im bildungs­bürgerlichen Programm Abgrenzung von einem »kulturlosen« Zustand.
Immer noch, sogar verstärkt greifen kulturalistische Konzepte um sich, die Kultur als Bündel von Eigenschaften definieren, durch die sich die Mitglieder einer Gruppe auszeichnen und von anderen Menschen unterscheiden, die anderen Gruppen, anderen »Kulturen« angehören. Aus diesem kulturalistischen Kulturbegriff, der die Gesellschaft anhand von Identität und Differenz organisiert, lässt sich politisches Kapital schlagen.
Das titelgebende Unbehagen entzündet sich an zwei paralle­len Entwicklungen: der anhaltenden Konjunktur unterschied­licher Kulturkonzepte in aktuellen (gesellschafts)politischen Diskursen sowie dem ungebremsten Boom der Verwendung des Kulturbegriffs in den ­Geistes- und Sozialwissenschaften. In vielen Teilen der Welt sehen wir heute, wie »Kultur« in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft instrumentalisiert wird: als Strategie der Simplifizierung und Naturalisierung bestehender Verhältnisse ebenso wie zur Legitimierung von Macht, Herrschaft und Gewalt. Dazu muss die Wissenschaft mehr sagen, als sie es bisher getan hat.